War die Kraftwagenstraße Köln – Bonn eine Autobahn?
Hier scheiden sich die Geister. Der Begriff „Autobahn“ hatte sich damals noch nicht eingebürgert. Sowohl in der Fach- als auch in der Publikumspresse der 1930er Jahre war man in der Bezeichnung dieser Strecke nicht einheitlich. Mal galt sie als Autobahn, mal nicht. Gleiches galt für die kartographische Darstellung.
Hier stellt sich auch die Frage wie man Autobahn definiert – als Fernstraße, als Teil eines gleichartigen Straßennetzes, mit oder ohne baulich getrennten Richtungsfahrbahnen sowie anderer Bauparameter.
Auch die Herkunft des Betrachters mag eine Rolle spielen. Für manchen Rheinländer ist die Strecke eine Autobahn, im Rhein-Main-Gebiet wird man die Reichsautobahn Frankfurt am Main – Darmstadt als erste Autobahn ansehen und im Großraum Berlin sicher die AVUS, welche mit 19,573 Kilometern mit der Kraftwagenstraße fast gleich lang war und gegen Gebühr von jedermann mit Auto oder Motorrad befahren werden dufte. Ebenso trafen auf die AVUS alle baulichen Parameter der Kraftwagenstraße Köln - Bonn zu, zusätzlich durch Mittelstreifen baulich getrennter Richtungsfahrbahnen.
24. 09. 1921 Verkehrsfreigabe AVUS Berlin (heute A 115)
21. 09. 1924 Verkehrsfreigabe Autobahn Mailand - Oberitalienische Seen (heute meist A8)
06. 08. 1932 Verkehrsfreigabe Kraftwagenstraße Köln - Bonn - Aufstufung zur Autobahn 01.04.1959 (heute A 555)
19. 05. 1935 Verkehrsfreigabe Reichsautobahn Frankfurt am Main - Darmstadt (heute A 5)
15. 04. 1937 Verkehrsfreigabe Voorburg – Zoetermeer (heute A12)
01. 10. 1940 Verkehrsfreigabe Pennsylvania Turnpike Irwin - Carlisle (heute I-76)
Keinesfalls war also die heutige A 555 „Europas erste Autobahn“ (so der Titel der Jubiläumsschrift von 1982). Die Kraftwagenstraße wies autobahntypische Eigenschaften auf. Sie war eine Strecke welche ausschließlich dem Kraft(wagen)verkehr vorbehalten war. Sie war plankreuzungsfrei und nur über besondere Anschlußstellen zu erreichen. Es gab zwei Fahrstreifen je Richtung. Es fehlte allerdings eine bauliche Trennung der Richtungsfahrbahnen.
Juristisch gilt die Strecke seit 1.April 1959 durch ihre verwaltungstechnische Aufstufung als Bundesautobahn. Das Bundesfernstraßengesetz setzt jedoch auch die Einfügung in ein zusammenhängendes Verkehrsnetz und die Bestimmung für den weiträumigen Verkehr vor. Der alten Kraftwagenstraße fehlte jedweder Netzcharakter und 20 Kilometer Länge sind auch nicht gerade „weiträumiger“ Verkehr. (Dieser wird ab mindestens 150 km definiert.)
Unabhängig davon, ob die Kraftwagenstraße Köln – Bonn nun eine Autobahn war oder nicht, ist hier von Planern und Straßenbauern bahnbrechende Pionierarbeit geleistet worden. Die gemachten Erfahrungen waren für den ein Jahr später beginnenden Bau von Reichsautobahnen und später den Bau von Bundesautobahnen sehr wertvoll. Die Strecke war ein wichtiger „Kilometerstein“ in der Entwicklung der deutschen und europäischen Autobahnen.
Weitere Informationen:
Der Bonner Kreisel in den ersten Jahren
Regelquerschnitte zum Vergleich
Zufahrt vom Bonner Kreisel auf die Kraftwagenstraße in Richtung Köln
Der mit den Überlegungen zu einer Nur-Auto-Straße Hansestädte – Frankfurt am Main – Basel beschäftigte Verein HaFraBa, war von der Ausführung der neuen Straße Köln - Bonn – nicht nur aufgrund des fehlenden Mittelstreifens – enttäuscht.
„»Wir von der Hafraba«, so erinnert sich (…) der einstige Pressechef der Autobahngesellschaft, der heute 62 jährige Fachjournalist Kurt Kaftan, »lehnten die Autobahn Köln - Bonn als Beispiel für die technischen Prinzipien der von uns geplanten Autobahnen ab.«“, meldete DER SPIEGEL in seiner Ausgabe 3/63 vom 15.01.1963.
War die Kraftwagenstraße Köln – Bonn eine Autobahn?