Der "Thüringer Zipfel", Teil der Bundesautobahn A 4, Bad Hersfeld - Erfurt, hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Bei der, kriegsbedingten, Baueinstellung 1943,  waren noch nicht alle Streckenabschnitte  vollendet. Während die begonnen Strecken  im Westen Deutschlands

1. Die Planung (1935-1937)
Bereits am 01.05.1934 wurde die Oberste Bauleitung der Reichsautobahnen (OBR) Kassel eingerichtet. Ihre Aufgabe bestand zunächst in der Planung und Bauausführung der Reichsautobahn (RAB) Göttingen - Kassel - Gießen (nach Planungen der HaFraBa). Im Herbst 1935 ordnete der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen (GI), Dr.-Ing. Fritz Todt, an, die Planungen verstärkt u.a. auf die Planung der Strecke Hersfeld - Eisenach zu lenken. Für die weitere Detailplanung sowie die Bauüberwachung richtete die OBR Kassel die zwei örtlichen Bauabteilungen (BARen) Hersfeld und Eisenach ein. Auszuarbeiten waren Planunterlagen für die Linienführung der Strecke im damals gültigen Regelquerschnitt (RQ) von 24,00 m. Nach der Ausarbeitung verschiedenster Varianten stand die Linienführung im Herbst 1936 im wesentlichen fest.

Erdbau an der heutigen A 4, 1940

Baugeschichte 1935-1943

2. Die Bauarbeiten (1937-1943)
Die Bauarbeiten im "Thüringer Zipfel" wurden grundsätzlich in zwei Abschnitten durchgeführt. Nach Absteckung der gewählten Trasse durch den Vermessungstrupp erfolgten Rodungs- und Mutterbodenarbeiten, für die in den beiden Abschnitten schon Rodungsmaschinen und Schaufelbagger zur Verfügung standen. Außerdem entstanden abseits der geplanten Strecke eine Vielzahl von RAB-Wohnlagern in denen die nicht ortsansässigen Bauarbeiter untergebracht waren. Die eigentliche Bauarbeiten begannen im ersten Abschnitt zwischen Hönebach und Untersuhl mit der Vergabe der Erdlose am 21.09.1937. Im zweiten Abschnitt zwischen Untersuhl und Herleshausen konnten die Erdlose erst am 13.06.1938 vergeben werden. Auftragnehmer dieser Erdlose waren vorrangig kleinere Firmen aus Frankfurt am Main, Kassel und Berlin. Die zur Herstellung der Fahrbahnkörpers auszuführenden Dämme und Einschnitte wurden in beiden Abschnitten unter Verwendung von Schaufelbaggern und Bodenverdichtern durchgeführt. Für den Transport der Erdmassen standen Feldbahnen mit Loren bereit, deren Gleise stets dem wachsenden Erdkörper anzupassen waren.

Noch während der Baues ordnete der GI an, dass anstatt des bisher gültigen RQ 24 auf Grundnetzstrecken ein um 2,25 m breite Standspuren ergänzter RQ 28,5 zu bauen sei. Zu diesem Zeitpunkt waren die Arbeiten im Abschnitt Hönebach - Untersuhl schon so weit vorangeschritten, dass Änderungen am Querschnitt nicht mehr möglich waren. Im Abschnitt Untersuhl - Herleshausen zeigte sich die OBR Kassel jedoch ausserordentlich flexibel und ordnete noch währen der Bauzeit einen Sonderquerschnitt (SQ) an. Dieser SQ 26,5 enthielt erstmals 2,25 m breite Standspuren, jedoch wurden die Bankette stark verschmälert. Nach der Durchführung aller Arbeiten konnte der Erdbau im ersten Abschnitt am 01.10.1939 und im zweiten Abschnitt vermutlich im Sommer 1940 beendet werden.

Während der Bau der kleineren Brücken schon von Oktober 1937 bis Juli 1938 begann und im wesentlichen im Mai 1939 abgeschlossen war, wurde die Talbrücke Richelsdorf erst 08.09.1938 und die Talbrücke Wommen sogar erst am 28.12.1938 vergeben. Der OBR Kassel war damit schon frühzeitig bekannt, dass der zeitintensive Talbrückenbau den größten Einfluss auf eine durchgehende Befahrbarkeit haben würde. Die geht auch aus den anvisierten Verkehrsfreigabeterminen hervor, wonach die folgenden Abschnitte zu den angeführten Terminen befahrbar sein sollten:

Zur Herstellung der Fahrbahn wurde die gesamte Strecke in Deckenbaulose eingeteilt. Die Arbeiten setzten in der Regel sofort nach der Losvergabe am 05.08.1938 ein, wobei die Firma Hermann Mielke aus Soest das längste Baulos zwischen der AS Wildeck-Hönebach und der Baurampe bei Herleshausen zu betreuen hatte. Nach der Herstellung der Unterbaues betonierte die Fa. Mielke zunächst die inneren und äusseren Randstreifen. Später wurde dann das damals neuartige Deckenbaugerät eingesetzt, das zwischen den Randstreifen die eigentliche Betonfahrbahn herstellte und nach dem Arbeitstakt auf den bereits fertigen Randstreifen zu nächsten Deckenbaustelle vorwärts geschoben werden konnte.

Werbung der Fa. Milke, mit neuem Deckenbaugerät

In den ersten Monaten, des am 01.09.1939 begonnen Krieges, wurden die Bauarbeiten noch planmässig weitergeführt. Ab Mai 1940 wurden jedoch immer mehr Arbeiter von der Wehrmacht einberufen und von der Baustelle abgezogen. Zu diesem Zeitpunkt steckten die Arbeiten zwischen Sorga und Hönebach mitten im Erdbau, während sie zwischen dem Kirchheimer Dreieck und Sorga (B 62) so weit fortgeschritten waren, dass diese Teil- strecke schon am 05.07.1940 für den Verkehr freigegeben werden konnte. Bereits am 05.08.1940 war auch die Fahrbahn zwischen den Anschlußstellen Wildeck-Hönebach und Gerstungen vollständig fertiggestellt. Die ursprünglich zum 01.12.1940 geplante Verkehrsfreigabe hätte also ohne weiteres stattfinden können. Da dieser Streckenteil jedoch keinen Anschluß an das übrige Autobahnnetz hatte und der Verkehr ab Sorga über die Reichsstraßen 62 und 82 nach Eisenach geleitet wurde, verschob der GI die Verkehrsfreigabe bis zur Fertigstellung der Gesamtstrecke.

Zwischen Untersuhl und der Baurampe Herleshausen konnte die Firma Mielke erst im Herbst 1940 mit dem Fahrbahndeckenbau beginnen. Zum Einsatz gelangen neben den immer weniger werdenden deutschen Arbeitskräften auch zunehmend Gastarbeiter aus der Tschechei bzw. aus den Niederlanden. Mit dem Ende bzw. der Einstellung des Brückenbaues im Dezember 1940 wurde eine große Anzahl bestehender Reichsautobahn-Lager frei, die die OBR Kassel der Wehrmacht zur Verfügung zu stellen hatte. Anfangs wurden im Bereich zwischen Untersuhl und Gerstungen noch beide Fahrbahnen hergestellt. Aufgrund der Knappheit von Arbeitskräften und Baustoffen ordnete der GI im Frühjahr 1941 an, zunächst nur die südliche Fahrbahn in Richtung Herleshausen voranzutreiben. Die Übergänge an den zahlreichen Unterführungen erhielten Kopfsteinpflaster mit Betonunterbau, da man aufgrund der hohen Dämme auch nach der Herstellung der Fahrbahndecke mit Setzungen rechnete und sich dadurch eine nachträgliche Reparatur einfacher gestalten würde. Anschlussstellen waren vorgesehen bei Bad Hersfeld, Friedewald, Hönebach, Gerstungen, Wommen und Herleshausen, wobei lediglich die Ausfahrt Bad Hersfeld vollständig fertiggestellt wurde. Für die Anschlussstelle (AS) Gerstungen wurde eine Sonderform zur Ausführung bestimmt. Hier sind die Anschlussarme erstmals nicht gleichzeitig, sondern versetzt angeordnet. Außerdem verfügte die Direktion der Reichsautobahnen am 24.05.1939, dass die Anschlüsse der AS Gerstungen nicht -wie sonst üblich - mit Kopfsteinpflaster, sondern in Beton ausgeführt werden, damit eine Verkehrsführung der Autobahn durch das Weihetal ermöglicht wird. Die AS Gerstungen und die AS Hönebach verblieben bis Kriegsende im Bauzustand, wurden aber dennoch in Betrieb genommen. Für die restlichen Anschlussstellen sowie für das geplante Autobahndreieck bei Herleshausen errichtet man lediglich die erforderlichen Unterführungsbauwerke im Zuge der durchgehenden Autobahn. Während des Baus bereitete ein Talbauwerk besondere Schwierigkeiten: Aufgrund von stark verworfenen, unregelmäßigen Bodenschichten und sehr tief gelegenen alten Bergbaustollen setzte sich die Talbrücke Wommen zuletzt in einer Woche bis zu 24 mm. Zudem waren einige Werksteingewölbe zum Teil mehrfach gerissen. Für das Auffangen der Setzungen wurden die Fundamente der Brücke daher noch während des Baus mit mehreren Bohrpfählen unterfangen. Die Risse in den Gewölben wurden durch Bauwerkshebungen um bis zu 173 mm ausgeglichen.

Die Talbrücken Wommen
ca. 1993/94.

Mit der Verschärfung der Kriegslage wurde der Autobahnbau im Frühjahr 1942 im gesamten Reich eingestellt. Die einzige Ausnahme bildete die Strecke zwischen Bad Hersfeld und Eisenach. Dieser war bei Aufstellung der "Dringlichen Bauvorhaben im 3. Kriegswirtschaftsjahr" die Stufe 1 des Göring-Erlasses zugeteilt worden. Demzufolge wurden bis 1943 die wichtigsten Arbeiten zu Ende geführt. Für zwei Talbrücken, die nicht mehr fertiggestellt werden konnten, wurden eiligst provisorische Umgehungsstraßen gebaut. Nach der Durchführung dieser Arbeiten konnte im Juli 1943 die letzte Teilstrecke zwischen Sorga und Herleshausen einbahnig dem Verkehr übergeben werden, so dass ab diesem Zeitpunkt die Autobahn zwischen Frankfurt am Main und Dresden - abgesehen von einigen Niveaukreuzungen - durchgehend befahrbar war. Die Verkehrsfreigabe der nördlichen Fahrbahn zwischen Sorga und Gerstungen erfolgte übrigens erst 1946/47 (das exakte Datum ist nicht bekannt; wer es weiß, möge es der Redaktion von AUTOBAHNGESCHICHTE mitteilen). Bei der endgültigen Einstellung der Bauarbeiten im Juli 1943 hatte die Werratalbrücke den geringsten Baufortschritt vorzuweisen, da lediglich ein Probepfeiler auf der östlichen Talseite entstanden war. Von der Talbrücke Richelsdorf waren nur acht Pfeiler vorhanden; die bereits gezimmerten Schalungen für sechs Gewölbe verschwanden in den ersten Nachkriegsjahren.

Das hölzerne Lehrgerüst der Talbrücke Richelsdorf

Die südliche, ortszugewandte Hälfte der Talbrücke Wommen war 1942 vollständig fertiggestellt worden, während von der nördlichen Seite nur sechs Pfeiler und vier Gewölbe vorhanden waren. Im Gegensatz zum heutigen Bauwerk waren außerdem keine separaten Brücken für die jeweiligen Richtungsfahrbahnen vorgesehen, sondern lediglich ein Talbauwerk mit einer baubedingten Längsfuge. Aus diesem Grund hatte die Talbrücke Wommen über 50 Jahre lang ausschließlich eine Sandsteinverblendung auf der südlichen Brückenseite. Weiterhin fehlten im "Thüringer Zipfel" bis 1990 bei vielen Unterführungen auf der Nordseite die Brückengeländer.

Text: Dipl.-Ing.(TU) Wolfgang Jäger

nach dem Krieg zum größten Teil fertiggestellt wurden, senkte sich zwischen Bad Hersfeld und Erfurt der "Eiserne Vorhang". Die DDR hatte keinerlei Interesse an der Nutzung dieser Verkehrsverbindung, so dass die 11 km lange Strecke zwischen Obersuhl und Wommen, die bei Kriegsende immerhin einbahnigen Verkehr erlaubte, in Vergessenheit geriet. Erst die Wiedervereinigung erlaubte es, diese wichtige West-Ost Verbindung wieder unter Verkehr zu nehmen. 1995 schließlich konnte diese Abschnitt der A 4 als eine der modernsten Autobahnen Deutschlands fertiggestellt werden.

Foto: Informationsschrift zur Fertigstellung der Bundesautobahn A 4, herausgegeben vom Amt für Straßen und Verkehrswesen Frankfurt

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A 4   “Thüringer Zipfel”
Fertigstellung nach über 50 Jahren

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